Und wieder mal habe ich mit den Schweizern etwa 200 Seemeilen vor der Brust, am Tag nach meinem Geburtstag am 24. November 2021 verlassen wir die Einsamkeit und starten zu unserem nächsten Törn nach Puerto Deseado. Um 6 Uhr lösten wir die Landleinen, lichteten unsere Anker und motorten langsam und vorsichtig aus der Caleta Hornos, die uns ordentlich auf Trab gehalten hatte. Bei einem traumhaften Sonnenaufgang und dezentem Wind setzten wir unsere Segel und fuhren in Richtung des 200 Seemeilen entfernten Puerto Deseado. Wir hatten einen traumhaften Segeltag mit flachen Wellen und mit gutem Wind näherten wir uns zügig unserem Ziel. Gegen 11 Uhr waren wir schon über 35 Seemeilen von der Caleta Hornos entfernt, als mich plötzlich über Funk die Prefectura anfunkte. Sie wollten meine genaue Position und mein nächstes Ziel wissen, außerdem wollten Sie noch wissen wann und zu welcher Uhrzeit ich die Caleta Hornos verlassen hätte und ob die Mon Bijou mit mir zusammen segelt. Nachdem ich Ihnen in meinem gebrochenem spanisch ausführlich Auskunft gegeben hatte, bedankten Sie sich und wünschten mir eine gute Weiterfahrt. Ich nehme mal an, dass die beiden Männer der Prefectura, die schon am zweiten Tag in der Caleta Hornos waren, wieder in der Caleta nach uns schauen wollten, uns nicht mehr vorfanden und deshalb mich angefunkt hatten, um zu erfahren wo wir sind. Von der Caleta Hornos bis nach Puerto Deseado mussten wir den Golfo San Jorge durchqueren, als wir am Abend etwa die Hälfte des Golfo geschafft hatten, waren wir noch 70 sm von der nächsten Küste entfernt. Eigentlich wollten wir wegen der Tidenströmung gegen 14 Uhr des nächsten Tages in den Hafen von Deseado einlaufen, doch wir hatten so guten Wind, der immer mehr auffrischte, dass wir schon am Morgen bei Ebbe Puerto Deseado erreicht hätten. Da wir nichts riskieren wollten, entschieden wir uns die Strecke künstlich zu verlängern und machten einen langen Schlag aufs offene Meer hinaus, was im Nachhinein ein großer Fehler war!!! Je weiter wir aufs offene Meer heraus fuhren, desto höher wurden die Wellen und der Wind nahm auch immer mehr an Fahrt auf. Als die Wellen an die 4 Meter Höhe hatten und der Wind in Böen über 32 Knoten erreichte, wurde mir es doch etwas mulmig, ich hatte zwar im Großsegel das 1. Reff aber bei über 30 Knoten, hätte ich eigentlich schon das 2. Reff einziehen müssen. Da mir das aber bei dem Wellengang zu gefährlich war, reduzierte ich meine Genua auf etwa 70 Prozent und öffnete das Groß so weit ich konnte um weniger Druck in den Segeln zu haben. In der Hoffnung das es in der Nähe der Küste der Wellengang etwas moderater und der Wind nicht so stark sei, entschieden wir uns zu Halsen und in Richtung der Küste zurück zu segeln. Durch das reduzieren der Segel fiel ich gegenüber der Mon Bijou immer weiter zurück, um den Geschwindigkeitsverlust gegenüber der Mon Bijou auszugleichen, wollte ich mit Motorunterstützung das gleiche Tempo aufnehmen und startete beide Motoren, doch der Steuerbordmotor ging nachdem ich den Vorwärtsgang eingelegt hatte, direkt wieder aus. Im ersten Moment verstand ich nicht warum der Motor nicht mehr startete, bis ich realisiert hatte, dass sich die Steuerbordschot meines Code Zeros um den Propeller gewickelt hatte und den Motor jäh blockierte. Ach Du Sch…, was jetzt? Mein Versuch die Schot vom Deck aus von dem Propeller zu entfernen, scheiterte natürlich kläglich, nach kurzer Zeit gab ich dieses Vorhaben auf und musste einsehen, dass ich jetzt nur noch den Backbordmotor zur Verfügung hatte. Mit dem einen Motor schaffte ich es nicht mit der Mon Bijou Schritt zu halten. Als ich über Funk die Mon Bijou über mein Malheur aufklären wollte, hörte ich auf einmal ein lautes flattern, nein, jetzt hatte sich auch noch der Code Zero eigenständig von dem starken Wind ausgerollt, direkt lies ich das Micro von der Funke fallen und stürzte nach draussen auf Deck und versuchte den Code Zero über die Furlingleine wieder einzurollen, doch so stark ich an der Furlingleine auch riss, gelang es mir nicht den Code Zero wieder einzurollen. Natürlich hatte ich Angst, dass mein Leichtwindsegel, wenn es weiter so in dem starkem Wind herumschlägt mit Sicherheit reissen würde. In meiner Not kam mir die Idee den Druck durch mehr Fahrt aus dem Segel zu nehmen, nachdem ich den Gashebel des übrig gebliebenen Motors auf Vollgas gedrückt hatte, schaffte ich es endlich das Segel wenigstens provisorisch einzurollen. Doch im oberen Teil flatterte der Code Zero immer noch ordentlich. Das Problem konnte ich aber nur lösen, wenn ich den Code Zero noch einmal kontrolliert ausrollen ließe, damit ich Ihn anständig einrollen konnte, doch durch die um den Propeller des Steuerbordmotors umwickelte Backbordschot war der Code Zero blockiert und ich hätte Ihn nur bis zur Hälfte ausrollen können, kurzerhand schnitt ich, so nah ich am Schothorn konnte, die Leine ab. Den Kat musste ich jetzt abfallen lassen, damit so wenig Druck wie möglich auf den Code Zero wirkte, nachdem ich Ihn kontrolliert ausgerollt hatte, musste ich meine letzten Kraftreserven einsetzen um Ihn wieder mit der Furlingleine einzuziehen, zum Glück gelang es mir so das Segel wieder vernünftig einzurollen. Im gleichen Moment, wo ich das Segel eingerollt hatte, hörte ich einen DSC-Call an meinem Funkgerät läuten, doch als ich Ihn annehmen wollte, war es zu spät. Direkt nach dem DSC-Call kam über Kanal 16 „Que Mas für Mon Bijou” „Que Mas für Mon Bijou”, es waren die Schweizer, die sich schon große Sorgen gemacht hatten, ob mir was passiert sei. Sie waren kurz davor, zu mir zurück zu segeln um zu sehen ob ich eventuell über Bord gegangen sei. Nach all den Adrenalinstößen, gab es auch noch ein schönes Erlebnis, es tauchte auf einmal eine Schule Schwarz-Weiß-Delfine mit bis zu 20 Tieren neben der Que Mas auf und hatten sichtlich Spaß neben dem Kat ihre verspielten Schwimmkapriolen zur Schau zu stellen. Es schien so, als wollten Sie mich von den Strapazen ein wenig ablenken, nach 15 Minuten waren Sie wieder weg, ausser einem Schwarz-Weiß-Delfin, der anscheinend nicht genug kriegen konnte. Je näher ich jetzt der Küste kam, desto mehr beruhigten sich die Wellen und die Windrichtung veränderte sich so, dass ich mit einem Winkel von 35 Grad am Wind und mit Vollgas des übrig gebliebenen Backbordmotor, genau Kurs auf Puerto Deseado nehmen konnte. Die Eidgenossen, die inzwischen 10 Seemeilen vor mir waren funkten mich an und teilten mir mit, dass mich ein Schlauchboot der Prefectura, wegen meiner beschränkten Navigationsfähigkeit durch nur einen funktionierenden Motors, am Hafeneingang abholen und zu meinem Liegeplatz eskortieren würde. Es waren jetzt nur noch acht Seemeilen bis zur Hafeneinfahrt, die Wellen hatten jetzt nur noch eine Höhe zwischen ein und zwei Meter und der Wind hatte auch auf eine angenehme Stärke abgenommen, als die Que Mas nach eineinhalb Stunden die Hafeneinfahrt gegen 17 Uhr erreichte, hatte sich das Meer so beruhigt, dass man nicht glauben konnte, das 25 Seemeilen weiter draussen die offene See tobte. Kurz nachdem ich die Segel geborgen hatte, sah ich auch schon das Schlauchboot der Prefectura was schon auf mich wartete, das Schlauchboot pilotierte mich bis zur Mon Bijou, wo ich michzu Ihr ins Päckchen legen sollte. Mit nur einem Motor war es sehr schwierig genau an die Mon Bijou heran zu navigieren, in einem großen Bogen fuhr ich langsam parallel zum Boot von Res und Tommi und versuchte genau in der Höhe mit dem einen Motor aufzustoppen, mit Hilfe von dem Schlauchboot der Prefectura, das mein Heck auf die Mon Bijou schob, gelang es den Katamaran im Päckchen an der Mon Bijou festzumachen. Das wäre geschafft, schnell bedankte ich mich für die tolle Hilfe der Prefectura, holte 3 Coronabiere aus dem Kühlschrank und trank mit den Schweizern auf unsere glückliche Ankunft in Puerto Deseado. Da Res verständlicherweise nach diesem Horrortörn nicht mehr kochen wollte, versuchten wir in Deseado für unser Abendessen ein Restaurant zu finden, nach 40 minütigem Fußmarsch wurden wir fündig und aßen in dem Restaurant „El Refugio de la Ria” zu Abend. Nach dem anstrengenden Törn wäre ich während des Essen fast am Tisch eingeschlafen. Zum Glück waren die Eidgenossen auch so geschafft, dass wir uns von einem Taxi zurück zu unserem Liegeplatz fahren ließen. Mit meiner letzten Energie schleppte ich mich auf die Que Mas und fiel wie tot in meine Koje.
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Hi Tom, wir haben deine vermutlich fast 500 Seemeilen bis Ushuaia, einschließlich Trip zur Isla de los Estados verfolgt. Eine große Leistung – Einhand bei diesem Wetter. Ganz herzliche Grüße von der graskarpfen Crew. Dagegen sind wir die reinsten Weicheier 😉
Hallo Graskarpfencrew,
vielen Dank für euer Kompliment, es war nicht einfach Ushuaia zu erreichen, aber jetzt bin ich endlich am sogenannten Ende der Welt angekommen. Ihr habt recht das hier unten ist kein Mittelmeersegeln und man muss sich im wahrsten Sinne des Wortes warm anziehen und starke Nerven haben. Ich freue mich, dass Ihr ein bisschen auf mich aufpasst.🤗
Liebe Grüße aus Ushuaia
Tom